Räuchern im alten Ägypten
Sakrale Räucherungen
Götter lieben Düfte, sagte man im alten Ägypten und war mit Rauchopfern großzügig. In den Tempeln wie auf allen Hausaltären wurde für sie täglich Wohlriechendes verbrannt. In flachen, offenen, goldenen Schalen opferte man außerhalb des Tempels den Weihrauch für die Götter. Bei Staatsanlässen opferte der Pharao selbst das Räucherwerk. Der Pharao Thotmes IV ist auf der Granittafel auf der Brust der Sphinx weihrauchspendend dargestellt. In Heliopolis, der Stadt des Sonnengottes Ra, opferten die Priester gemäß dem Lauf der Sonne dreimal täglich Räucherwerk: bei Sonnenaufgang Weihrauch, zur Mittagszeit Myrrhe und bei Sonnenuntergang Kyphi, eine Mischung kostbarer Ingredenzien. Die Wertschätzung der Ägypter für Räucherwerke und Wohlgerüche war so hoch, daß sie im angenehmen Duft ein Zeichen für die Nähe der Götter sahen, ja Düfte als Hauch des ewigen Lebens erkannten. Wer sich mit Düften umgab, war so mit den Göttern und der Ewigkeit nahe. Für Rauchopfer wurden die Räucherwerke in kleinen Schalen aus Ton mit Deckel dargeboten, den man immer wieder abnahm, um die duftenden Rauchschwaden entweichen zu lassen. Später, während der 18. und 19. Dynastie, gebrauchte man wunderschön geschnitzte Räucherarme, an deren einem Ende eine metallene Schale befestigt war, in der man auf Kohle kleine Räucherpastillen verbrannte. In den Häusern wurde das Räucherwerk auf kleinen würfelförmigen Altaren geopfert. Man räucherte in den Haushalten auch um unangenehme Gerüche zu überdecken und um Insekten fernzuhalten
Medizinische Räucherungen
Die Priesterschaft wie auch die Ärzte hatten ein hohes Wissen über den Heilwert der einzelnen Räucherungen. Dies belegen Aufzeichnungen in medizinischen Papyri. Kranke oder auch nur einzelne schmerzende Körperteile wurden beräuchert. Manchmal folgte danach eine Massage der betreffenden Körperregion.Das Beräuchern von Kranken, wie sie im alten Ägypten praktiziert wurde, ist eine der ältesten überlieferten Heilanwendungen. Man räucherte auch, um krankmachende Dämonen aus dem Körper zu vertreiben. Bei einigen Naturvölkern wird diese Methode noch heute angewendet. Wir wissen heute, daß intensive Düfte, wie sie bei Räucherungen entstehen, starke Wirkungen auf die menschliche Psyche haben. So können wir uns vorstellen, daß mit diesen Räucherungen krankmachende, geistige Zustände abgeschwächt, neutralisiert und aufgelöst werden. Unsere Dämonen heißen heute z. B. Angst, Streß, Unruhe und können mit gezielter Anwendung von Räucherdüften positiv beeinflußt werden.
Visionäre Räucherungen
Im alten Ägypten wurden Räucherungen zur Erzeugung von Visionen, Orakel, Trance, Visionen, Tempelschlaf und Divination verwendet. Die psychoaktiven Stoffe der Pflanzen lösen sich beim Verglimmen und steigen mit dem Rauch in die Raumluft. In Zauberbüchern und Inschriften in Tempeln wurden Rezepturen für solche Räuchermischungen festgehalten. Einige genaue Rezepturen finden wir im Leidener Zauberpapyrus. Für visionäre Räucherungen wurden Pflanzen wie Alraune, Bilsenkraut, Blauer Lotus, Mohn, Steppenraute oft in Verbindung mit Weihrauch-Harz verwendet. Viele dieser Pflanzen unterstanden dem Orakelgott Amon, der mit Widderhörnern dargestellt wird. Das Orakelheiligtum Ägyptens, jenem von Griechenland in Delphi ähnlich, befand sich in der libyschen Wüste, in der Oase Siwa. Die Verwendung von psychedelisch wirkenden, magischen Räucherpflanzen stand immer in Verbindung mit kultischen Handlungen und wurde von erfahrenen Priestern und Priesterinnen geleitet. Die visionären Räucherungen lassen sich bis in schamanistische Urzeit der Menschen zurückverfolgen. Nicht nur die Götter sollten ihre Nasen an köstlichen Wohlgerüchen erfreuen, sondern auch den Menschen waren die Düfte für deren Wohlbefinden, zur Lebensfreude und Sinnlichkeit gegeben. Im ägyptischen Bewußtsein waren Vergänglichkeit und Tod sehr gegenwärtig. Für die Reise ins Jenseits der Toten gab es einen hochentwickelten Duftkult. Die Körper Verstorbener wurden mit einer großen Menge Myrrhe und weiteren Duftstoffen einbalsamiert. Doch Myrrhenduft war auch ein Symbol für Liebe, Sinnlichkeit und Erotik. Aus dem Bewußtsein der Vergänglichkeit des Lebens schöpften die Ägypter Inspiration und Anregung zum bewußten Erleben der schönen Seite des Lebens, zum Kultivieren der Herzensfreude und zur Erheiterung.Tod, Liebe, Erotik, Vergänglichkeit und Wohlgerüche verbanden sich in der ägyptischen Lyrik mit unvergleichlicher Schönheit und tiefem Zauber. Schatten und Licht, Todesbetrachtung und Herzensfreude sind mit Wohlgerüchen verbunden. Vor dem Hintergrund des Todes werden die Freuden des Lebens für den Ägypter farbiger und einmaliger.